Kölner PhilharmonieEin WDR-Konzert mit deutlicher Kriegs-Botschaft

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Manfred Honeck dirigiert das WDR Sinfonieorchester

Köln – Im Internet kursiert ein Foto, das den ukrainischen Komponisten Valentin Silvestrov im Minivan auf der Flucht vor der russischen Invasion zeigt. Mittlerweile, so hört man, ist der 84-jährige wohlbehalten in Deutschland angekommen. Als Zeichen der Solidarität mit der Ukraine hatte das WDR Sinfonieorchester kurzfristig ein Werk Silvestrovs ins Programm aufgenommen: Die 2001 entstandene Hymne für Streicher verbreitet eine Atmosphäre gedämpfter nostalgischer Schönheit. Man saß also warm und trocken im gepolsterten Philharmonie-Sitz und hörte Musik eines Komponisten, der vor wenigen Tagen noch in Lebensgefahr war. Eine beklemmende, eine bizarre Erfahrung.

Das Programm bekam eine schmerzhafte Aktualität

Auch dem von langer Hand geplanten regulären Programm des Konzerts war durch die Ereignisse der letzten Wochen eine schmerzhafte Aktualität zugewachsen. Haydns „Missa in Tempore Belli“ („Messe in Kriegszeiten“) entstand 1796 unter dem Eindruck von Napoleons Italien-Feldzug. Dmitri Schostakowitschs Sinfonie Nr. 5 spiegelt - maskiert, aber unverkennbar - den stalinistischen Terror der 1930er Jahre.

In Haydns später Messe geht es weniger um spirituelle Vertiefung als um dramatische Versinnlichung. Daran ließ die eindrucksvolle Aufführung unter Leitung von Manfred Honeck auch keinen Zweifel. Wuchtig und schlagkräftig, jäh in der Entladung, raumfüllend im Piano erweckte der WDR Rundfunkchor die Vorstellung einer unmittelbar berührten, betroffenen Volksmenge. Das Solistenquartett (Jeanine De Bique, Anna Lucia Richter, Patrick Grahl, Paul Armin Edelmann) überzeugte vor allem als Team; die Einzelbeiträge waren nicht immer frei von schlingernder Linie und öligem Pathos.

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Mit Schostakowitschs „Fünfter“ steht das WDR Sinfonieorchester hörbar auf vertrautem Fuß. Die brutale Marschepisode im Kopfsatz, der ruppige Eingang des Scherzos waren mit einem vitalen Elan musiziert, der nirgends plakativ wirkte. Ihre stärksten Momente hatte die Interpretation indes im uferlosen Largo, wo der Maestro den Klang zum bloßen Hauch, die melodische Linie zum Seidenfaden herunterdimmte. Ein offenbar sehr bewusst eingesetzter Effekt war die extreme Drosselung des Tempos kurz vor Schluss: Der lärmende Heroismus geriet so an den Rand des Kippens, des Kollabierens. Die Botschaft war unmissverständlich.

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