Hetze im Netz kann teuer werdenSo wird Internet-Hass von Kölner Ermittlern verfolgt

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Hass

In den sozialen Medien gehören Hassmails zum Alltag.

Köln – Der Kommentar wurde am 5. Januar vergangenen Jahres um 14.17 Uhr gepostet. „Ich bin für öffentliche Steinigung“, schrieb ein 60 Jahre alter Briefzusteller aus Köln in eine Facebook-Gruppe. Ziel seiner Gewaltankündigung war der SPD-Politiker Karl Lauterbach. Eine Hassnachricht, die Folgen hatte.

Ein Jahr danach füllt der Vorgang eine Ermittlungsakte, die in der „Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime Nordrhein-Westfalen“ (ZAC NRW) geführt wird. „Viele Menschen sind sich nicht darüber im Klaren, dass so ein schnell dahin geschriebener Satz ernsthafte Konsequenzen haben kann“, sagt Markus Hartmann, Oberstaatsanwalt und Chef der Cyber-Fahnder.

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In der Pandemie haben Hassmails im Netz stark zugenommen.

Die ZAC NRW ist unter anderem dafür zuständig, Hasskriminalität im Internet gegen gesellschaftlich exponierte Personen wie Amtsträger zu verfolgen. Eine Herkulesaufgabe, für deren Bewältigung sich das Land NRW jetzt neu aufgestellt hat.

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Hassmails beziehen sich oft auf Coronapolitik 

Das war offenbar dringend notwendig. Mit den Protesten gegen die Corona-Maßnahmen hat die Hasskriminalität im Internet eine neue Dimension erreicht. Neben der Verbreitung von gezielten Falschnachrichten sind Beleidigungen, Drohungen und Aufrufe zu Gewalttaten an der Tagesordnung. „Es gibt kaum eine Social Media Plattform im Netz, auf der sich keine justiziablen Inhalte finden“, erklärt Oberstaatsanwalt Hartmann. „Manche Nutzer glauben offenbar, das Internet sei ein rechtsfreier Raum.“

70 Fahnder bekämpfen Kriminalität im Internet

Die ZAC NRW gehört seit ihrer Gründung im Jahr 2016 zur Staatsanwaltschaft Köln. Jetzt sind die Spezialfahnder, die auch bei der Ermittlung von Tatverdächtigen im Bereich Kinderpornografie eine zentrale Rolle spielen, in ein eigenes Dienstgebäude an der Luxemburger Straße umgezogen. Fast 70 Mitarbeiter beschäftigen sich dort ausschließlich damit, Straftaten zu verfolgen, die im digitalen Raum begangen wurden.

Biesenbach

NRW-Justizminister Peter Biesenbach (CDU)

Das Team, das sich mit strafbaren Inhalten im Netz befasst, wurde jetzt von vier auf zwölf Staatsanwälte ausgeweitet. „Volksverhetzende Kommentare müssen nicht nur gelöscht, sondern auch geahndet werden“, sagt NRW-Justizminister Peter Biesenbach. „In Hasskommentaren wird oft eine gefährliche Stimmung geschürt. Zum Teil werden Kampagnen gezielt von rechten Parteien und aus der Querdenker-Szene gesteuert. Die Meinungsmache zielt darauf, den Staat und seine Repräsentanten zu diskreditieren. Gegen diesen Angriff muss sich die Demokratie zur Wehr setzen. Dafür haben wir uns jetzt gut gerüstet“, so der CDU-Politiker.

Oberstaatsanwalt Markus Hartmann und Justizminister Peter Biesenbach

Oberstaatsanwalt Markus Hartmann und Justizminister Peter Biesenbach

Die Neujustierung der Strafverfolgung war durch die Einführung des Paragrafen 3a im Netzwerkdurchsetzungsgesetz eingeleitet worden. Dieser sollte Internetkonzerne wie Google und Facebook dazu verpflichten, Nutzerdaten von mutmaßlichen Straftätern proaktiv an die Ermittler zu liefern. „Wir hatten uns darauf eingestellt, bundesweit 250.000 Verfahren pro Jahr zu bearbeiten“, sagt ZAC-Chef Hartmann. Dazu war eine gemeinsame Arbeitsstruktur zwischen der hessischen Zentralstelle zur Bekämpfung der Internet- und Computerkriminalität (ZIT), der ZAC NRW und dem Bundeskriminalamt aufgestellt worden. Allein beim BKA wurden 200 neue Stellen geschaffen.

Dieses neue Netzwerk soll jetzt aktiv werden. Dabei müssen die Ermittler aber vorerst weiterhin auf die Unterstützung der Internet-Anbieter verzichten. Denn das Verwaltungsgericht Köln gab einem Eilantrag von Google statt. Der Konzern hatte vorgetragen, dass die geplanten Regelungen gegen EU-Recht verstoßen würden.

Nur sieben Tage Zeit für die Sicherung der Beweise

In der ZAC rechnet man trotz der Entscheidung damit, dass in NRW Verfahren in fünfstelliger Anzahl im Jahr geführt werden können. „Künftig sollen unter anderem Hinweise von privaten Recherchegruppen, die Chats beobachten, verstärkt ausgewertet werden“, so Hartmann. Bei den Ermittlungen muss die Justiz ein hohes Tempo vorlegen. In Deutschland ist die Vorratsdatenspeicherung ausgesetzt. Zur Beweissicherung bleiben den Fahndern gerade mal sieben Tage Zeit.

Wer eine Strafanzeige erstatten will, sollte in jedem Fall die konkrete Tatzeit (Datum und Uhrzeit) und einen Screenshot des Postings beifügen. Auch der Kontext der Veröffentlichung sowie das Medium (etwa Facebook, Youtube, Twitter etc.) sind sehr wichtig. Die Strafanzeigen können bei jeder Polizeidienststelle und auch digital (https://service.polizei.nrw.de/anzeige) gestellt werden.

Im Jahr 2021 wurden insgesamt 817 Ermittlungsverfahren bei der ZAC NRW in der Abteilung für digitale Hasskriminalität eingeleitet. Die Strafen, die die Gerichte verhängen, sind zum Teil empfindlich. Als Minimum gilt eine Verurteilung zur Zahlung von 30 Tagessätzen, was in der Regel einem Monats-Nettogehalt entspricht.

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Der Zusteller aus Köln musste tiefer in die Tasche greifen. Er wurde für den Aufruf, Karl Lauterbach zu steinigen, zu 50 Tagessätzen verurteilt. Das entspricht in seiner Gehaltsklasse einer Geldbuße von rund 1500 Euro.  

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