NRW startet WerbekampagneMehr Migranten sollen Beamte werden

Lesezeit 4 Minuten
Neuer Inhalt (1)

 Die Eltern von Vinotharan Sritharan stammen aus Sri Lanka, er ist in Deutschland geboren.

  • Ein Gespräch NRW-Integrationsminister Joachim Stamp (FDP), NRW-Staatssekretärin für Integration Serap Güler (CDU) und Vinotharan Sritharan, Finanzbeamter aus Bochum, über die neue Kampagne.

Düsseldorf – NRW startet eine Kampagne, um mehr Mitarbeiter mit Migrationshintergrund für den öffentlichen Dienst zu gewinnen. Warum? NRW Integrationsminister Joachim Stamp (FDP): Erfolgreiche Unternehmen setzen auf Diversität, weil Vielfalt eine Stärke ist. Leider wird der Öffentliche Dienst von Menschen mit Einwanderungsschichte noch nicht in dem Maße als attraktiv wahrgenommen, wie es wichtig wäre. Auch in unseren Behörden sollte die Vielfalt der Gesellschaft die unterschiedlichen Lebensweisen stärker abgebildet sein. In den Ausländerbehörden gibt es zum Beispiel noch zu wenige Menschen mit Einwanderungsgeschichte. Wenn Vielfalt vorhanden ist, führt das im Ergebnis auch zu noch erfolgreicherem Verwaltungshandeln. Unsere Werbekampagne, die im Rahmen unserer Integrations- und Wertschätzungskampagne #IchDuWirNRW durchgeführt wird, heißt „Du machst den Unterschied!“. Genau darum geht es.

Warum meiden Migranten bislang häufig den öffentlichen Dienst?

NRW Staatssekretärin für Integration Serap Güler (CDU): Viele denken, sie hätten dort gar keine Chance, weil sie keine deutsche Staatsbürgerschaft haben. Die benötigt man aber nur für eine Beamtenlaufbahn, die jedoch nur einen Karriereweg darstellt. Als Angestellter benötigen Sie keinen deutschen Pass. Und wir müssen mit Vorurteilen aufräumen, dass der Öffentliche Dienst eintönig und langweilig ist. Das Gegenteil ist der Fall: Er ist spannend und vielfältig. Die Jobs reichen vom Veterinär und Wasserbauer über Mediengestalter oder Koch bis zum Ingenieur.

Das könnte Sie auch interessieren:

Herr Sritharan, Sie arbeiten als Finanzbeamter in Bochum. Wie kam es dazu?

Vinotharan Sritharan:  Meine Eltern sind 1994 vor dem Bürgerkrieg aus Sri Lanka nach Deutschland geflohen, ich bin in Dortmund geboren. Ich hatte mich für eine kaufmännische Lehre interessiert, habe dann in der Schule einen Flyer vom Finanzamt gesehen. Da fand ich die kompakte Ausbildung und die Aufstiegschancen attraktiv. Zunächst dachte ich, beim Finanzamt geht es überwiegend um Zahlen. Jetzt weiß ich, dass der Job auch viel mit Gesetzen zu tun hat. Das macht die Aufgabe anspruchsvoll und sinnvoll zugleich: Wenn Schulen und Kitas gebaut werden, hat auch die Finanzverwaltung ihren Anteil mit beigetragen.    

Herr Stamp, was können sich denn die deutschen Behördenmitarbeiter von den Kollegen mit ausländischen Wurzeln abgucken?

Stamp: Es geht darum, die interkulturelle Kompetenz der Behörden zu verbessern. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Einwanderungsgeschichte haben aber vielleicht eine andere Sensibilität für bestimmte Themen, zum Beispiel bei der Seniorenpolitik, wenn es um die Frage geht, wie man im Alter leben will. Da gibt es in vielen Kommunen schon tolle Ansätze für die kultursensible Altenpflege. Oder in den Schulen. Wir haben Schulen, bei denen 80 Prozent der Schülerinnen und Schüler eine Einwanderungsgeschichte mitbringen. Da wäre es hilfreich, auch mehr Lehrer mit Migrationsgeschichte zu haben. 

Güler: Die Gesundheitsämter haben in den vergangenen Monaten sehr gerne auf Mitarbeiter der kommunalen Integrationszentren zurückgegriffen, die interkulturelle Kompetenz besitzen. Und zwar nicht nur wegen der oft vorhandenen Mehrsprachigkeit, sondern deshalb, weil sie den kulturellen Hintergrund der Menschen und ihre Reaktion auf bestimmte Maßnahmen besser verstehen.

Sritharan: Vielleicht reagieren Menschen, die selbst mehrsprachig aufgewachsen sind, mit noch mehr Sensibilität, wenn jemand nicht so gut Deutsch spricht. Sie kennen das Problem der Sprachbarrieren ja oft auch aus dem Alltag in ihren eigenen Familien.

In vielen Regionen der Welt hat die Staatsgewalt ein negatives Image…

Stamp: Ja, vor allen in Ländern, in denen Menschen verfolgt werden, gibt es zum Teil große Angst vor den Behörden. Deswegen ist es wichtig, dass die Menschen Vertrauen in das staatliche Handeln gewinnen. Da können Mitarbeiter mit Einwanderungsschichte, die sich mit dem staatlichen System in Deutschland identifizieren, wichtige Brücken bauen.

Frau Güler, welche Migrantenquote im öffentlichen Dienst streben Sie an?

Güler: Der öffentliche Dienst muss das Spiegelbild der Gesellschaft werden. In NRW haben rund 30 Prozent der Menschen eine Einwanderungsgeschichte. So groß ist der Anteil im Öffentlichen Dienst noch nicht. Genaue Zahlen sind schwierig, weil aus datenschutzrechtlichen Gründen solche Erhebungen nicht durchgeführt werden. Die Teilnahme an Umfragen, die in den letzten Jahren durchgeführt wurden, waren freiwillig. Danach lag die Quote in den Landesministerien zuletzt leider nur bei 13 Prozent. Deshalb wollen auf jeden Fall besser werden. Dass wir schon einiges erreicht haben, zeigt sich an der großen Resonanz der Mitarbeiter in unseren Behörden, an der Kampagne mitmachen wollten. Das wäre vor zehn Jahre sicher anders gewesen.

KStA abonnieren