Kölner Infektiologe„Die Diskussion um Masken ist menschlich, aber völlig irrational“

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Symbolbild

  • Die Stadt Köln zögert bislang damit, Plätze zu schließen, an denen sich regelmäßig viele Menschen versammeln.
  • Ist diese Strategie aus infektiologischer Sicht vertretbar? Professor Oliver Cornely meint: Ja. Und erklärt, warum.
  • Außerdem spricht er im Interview über freie Intensivkapazitäten und die Diskussion um eine mögliche Abschaffung der Maskenpflicht.

Herr Cornely, die Stadt Köln zögert mit der Schließung von Feier-Hotspots, muss punktuell aber immer wieder eingreifen. Wie erleben Sie diese Situation?

Es ist prinzipiell richtig, dass man sich in diesen Wochen nicht in größeren Gruppen zusammenfindet. Auch ich habe eine jährliche Familienfeier, bei der sich etwa 50 Personen getroffen hätten, abgesagt. Aus meiner Sicht ist das Risiko zu hoch, dass es so zu Infektionen und erneuten Ausbrüchen kommt.

Wären also konsequente Platzschließungen das richtige Mittel?

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Ich finde es schon den richtigen Weg, dass man an die Eigenverantwortung der Bürger appelliert. Es wird ja nicht viel verlangt: Abstand halten, Maske tragen, Hände waschen. Mit diesen bescheidenen Mitteln bekommen wir die Pandemie – Stand jetzt – gut in den Griff. Weil diese Regeln seit vielen Monaten gelten und auch noch monatelang gelten werden, wird allerdings immer wieder nachsteuern und erklären müssen. Es geht jetzt um ein ständiges Ausbalancieren. Ich glaube nicht, dass man planen könnte, jeden Platz, an dem sich 51 Personen treffen, zu sperren. Es wird sich immer eine Alternative finden. Es ist aus meiner Sicht sogar gut, dass man die kritischen Plätze aktuell gut kennt.

Sie halten die Strategie der Stadt also für richtig?

Nun, die Stadt muss verschiedene Dinge unter einen Hut bringen. Würde man die reine Infektiologie betrachten, müsste man verlangen, dass sich jeder Mensch auf dieser Erde für zwei Wochen isoliert. Dann gäbe es dieses Virus quasi nicht mehr. Das ist offensichtlich nicht möglich, es geht also um Mittelwege. Wo man die Grenze idealerweise ziehen sollte – bei 30, 40 oder 50 Personen – das weiß niemand ganz genau. Wichtig ist, jeder bemüht ist, sich weiterhin nur dort zu versammeln, wo es unbedingt nötig ist.

Zu Beginn der Pandemie war die Sorge vor überlasteten Intensivkapazitäten groß. Nun gibt es unzählige freie Betten in den deutschen Kliniken. Spricht dieser Aspekt nicht für weitere Lockerungen?

Es gibt hier zwei Punkte: Einerseits die aktuell nicht voll belegten Intensivkapazitäten. Ja, wir haben freie Krankenbetten und Beatmungsgeräte. Deswegen zu denken, man könnte sich mehr Infektionen „leisten“, wäre dennoch absurd. Denn auf der anderen Seite gibt es bei jeder Infektion ein Risiko, an Covid-19 zu sterben. Ich möchte nicht zu 0,3 oder 0,4 Prozent an dieser Krankheit sterben. Wir müssen verhindern, dass sich Menschen anstecken. Es ist toll, dass wir die Intensivbetten haben. Noch besser allerdings wäre es, sie nicht zu benötigen. Niemand kommt auf die Idee, sein Haus anzuzünden, weil er weiß, dass die Feuerwehr kommt.

In einigen Bundesländern wurde die Abschaffung der Maskenpflicht zuletzt dennoch intensiv diskutiert.

Mein Hauptbeschäftigungsfeld ist seit 25 Jahren die Verhinderung von Infektionen. Da geht es um Impfungen und prophylaktische Medikamente. Ich kenne diese Diskussion in- und auswendig. Immer, wenn eine Prophylaxe – wie die Maskenpflicht – funktioniert, werden Leute unzufrieden. Ich glaube, das ist menschlich. Aber völlig irrational. Auch ich finde es unbequem, stundenlang eine Maske zu tragen. Für das, was ich dafür bekomme, eine niedrigere Infektionswahrscheinlichkeit, trage ich sie aber herzlich gerne.

Zur Person

Professor Oliver Cornely, geboren 1967, ist Direktor des Lehrstuhls für Translationale Forschung am interdisziplinären Altersforschungszentrum „Cecad“ der Universität zu Köln. Cornely leitet das Zentrum für Klinische Studien und ist Oberarzt in der Infektiologie der Uniklinik Köln.

Müsste die Strategie der „natürlichen Durchseuchung“ also ad acta gelegt werden?

Meine Idealvorstellung ist, dass wir mehrere Impfstoffe bekommen. Sonst haben wir weiterhin ein Riesenproblem. Sollten nur 0,3 Prozent der Infizierten sterben – ein sehr tief gegriffener Wert – hätten wir in Deutschland eine Viertel Million Todesopfer. Diese statistische Realität muss man sich immer wieder vergegenwärtigen. Vergleichbare Risiken gab es in den letzten 100 Jahren bei keiner anderen Erkrankung.

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Auch ist noch unklar, wie zuverlässig Antikörper nach einer Infektion vom Körper produziert werden.

Das stimmt. Auch deshalb ergeben geplante Infektionen keinen Sinn. Es ist eine Art Roulette mit schlechten Chancen: Es schadet in jedem Fall – und hilft womöglich überhaupt nicht. Im Laufe der Zeit werden wir Patienten sehen, die Infektionen überstehen und dann erneut dem Virus ausgesetzt sind. Hierzu benötigen wir viele seriöse Daten, um beurteilen zu können, wie es wirklich um die Immunität bestellt ist.

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