Rückblick2022 kommt die Aufklärung der Leverkusener Chemie-Explosion kaum voran

Lesezeit 3 Minuten
explosion in Leverkusen, riesige Rauchsäule steigt auf

Explosion in Wiesdorf

Currenta macht nur bei der Trauerfeier für die sieben Toten eine gute Figur. Ansonsten enttäuscht der Betreiber des Sondermüllofens durch Intransparenz.

Ein Jahr nach der Katastrophe gelingt Currenta immerhin eine sehr würdige Gedenkfeier. Doch das ist nur ein vereinzelter Lichtblick. Auch die Initiative, sich auf Wochenmärkten der Diskussion mit den Bürgern zu stellen, enttäuscht die Erwartungen. Die Bemühungen des Chempark-Betreibers um Transparenz scheitern regelmäßig am Hinweis auf die noch immer nicht abgeschlossen Ermittlungen der Kölner Staatsanwaltschaft.

Dort geht man sehr sorgfältig vor. Schließlich sind sieben Menschen gestorben am 27. Juli 2021, und 31 verletzt worden. Mit Blick auf das Vorgehen der Bürrig-Betreiber fragen sich im Februar einige Bürger: Muss man Currenta verklagen? Es sind zu viele Pannen bei und nach der Explosion passiert, zu wenig trägt das Unternehmen zur Aufklärung bei. Besserung? Nicht in Sicht, das finden vor allem Anwohner des Entsorgungszentrums. Wochen zuvor waren Naturschützer diesen Weg gegangen, hatten Strafantrag gestellt.

Kaum Informationen für die Politiker

Kurze Zeit später stellen sich die Chefs von Currenta, Gutachter Christian Jochum und Vertreter der Aufsichtsbehörden dem Stadtrat. Doch auch dort bleiben ihre Antworten lückenhaft. Unterdessen formuliert der Bund Umwelt und Naturschutz Deutschland Kritik: Wasserexperte Paul Kröfges hält es für einen Systemfehler, dass Currenta sich auf die Abwassertanks des benachbarten Klärwerks verlässt, um dort im Katastrophenfall Löschwasser zu deponieren. Das Ergebnis: 34 000 Tonnen Löschwasser wurden in den Rhein abgelassen.

Ebenfalls im Februar wird der Vorhang sachte gelüftet: Erstmals lässt Currenta Fremde auf die Anlage. Den Mitgliedern des „Begleitkreises“ zeigt der Chempark-Betreiber, wie es an den Öfen aussieht. Kurz darauf bemerkt Organisator Benjamin Roth seltsame Aktivitäten in der Facebook-Gruppe „Du weißt, dass Du aus Bürrig bist, wenn . . .“: Zwei Düsseldorfer schmeißen sich an die 610 Mitglieder ran, obwohl sie keinen Bezug zum Stadtteil haben. Nachforschungen zeigen: Es sind Beschäftigte einer PR-Agentur, die im Auftrag von Currenta unterwegs ist. Die Agentur-Leute hätten ihren Auftrag missverstanden, rechtfertigt der Chempark-Betreiber den Unterwanderungsversuch und kündigt den „Rocket Scientists“.

Umweltministerium will genauer hinschauen

Im März scheinen die Zügel angezogen zu werden: Die Kölner Bezirksregierung kündigt an, Currenta häufiger unter die Lupe zu nehmen. Grund dafür ist eine kritische Bestandsaufnahme eine Etage höher: Das Umweltministerium des Landes hat eine Häufung von Unfällen konstatiert und hält eine „systematische Überprüfung von Chemiepark-Strukturen“ für erforderlich. Das soll nicht nur den Standort Leverkusen betreffen. Im Juni dann die Zäsur: Currenta nimmt einen Teil der havarierten Anlage wieder in Betrieb. Noch ohne Tanklager und mit einem deutlich verminderten Sortiment an Abfällen. 31 werden von der Kölner Bezirksregierung erlaubt. Es sollen mehr werden.

Auch das kommt bei den Nachbarn nicht gut an: Denn über das Wiederanfahren wurden sie von Currenta ganze zwei Tage zuvor informiert. Eine Bürgerversammlung wurde erst Wochen später terminiert. In der Wiesdorfer Bürgerhalle stellte sich dann lediglich der Gutachter Jochum den Fragen: Das Führungspersonal von Currenta in Gestalt von Technik-Chef Hans Gennen und Chempark-Leiter Lars Friedrich saß zwar in der ersten Reihe, schwieg aber beharrlich. Ein symptomatischer Auftritt für das Jahr eins nach der Katastrophe.

KStA abonnieren