Drohen nun Klagen?Habeck hakt Einhaltung der Klimaschutz-Ziele bis 2024 ab

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Robert Habeck 

Das Klimaschutzgesetz ist das Nonplusultra der deutschen Politik in diesem Jahrzehnt. Seine Einhaltung soll dafür sorgen, dass die Bundesrepublik bis 2045 klimaneutral wirtschaftet. 2030 ist ein wichtiges Etappenziel. Bis dahin soll das Land den Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase gegenüber 1990 um 65 Prozent reduziert haben.

Im Moment sieht es allerdings nicht danach aus. Wenn es so weitergehe wie bisher, werde Deutschland Ende des Jahrzehnts lediglich bei minus 50 Prozent sein, konstatierte jüngst der auch für den Klimaschutz zuständige Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). „Das ist dann in Zahlen ausgedrückt 200 Millionen Tonnen zu viel.“ Schon dieses und auch nächstes Jahr steht die deutsche Klimaampel auf Rot. Im Klimaschutzgesetz sind für einzelne Sektoren wie Energie, Industrie oder Verkehr Jahresemissionsmengen festgeschrieben, die in den kommenden Jahren schrittweise sinken müssen.

2020 erreichten bis auf den Gebäudebereich alle Sektoren die Ziele - das hatte aber auch mit Corona-Faktoren zu tun. Laut Ministerium ist absehbar, dass die Treibhausgasemissionen 2021 in vielen Sektoren wieder gestiegen sind und die Klimaziele 2022 und 2023 verfehlt würden.

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Haupttreiber für den Emissionsanstieg auf 772 Millionen Tonnen CO₂ waren die wirtschaftliche Teilerholung nach dem Pandemiejahr 2020, eine höhere Kohleverstromung wegen stark gestiegener Gaspreise, ein Rückgang der Stromproduktion aus Erneuerbaren Energien sowie eine kühlere Witterung. Das zeigt die Jahresauswertung des Thinktanks Agora Energiewende.

Und was nun? Naturschutzbund-Präsident Jörg-Andreas Krüger meint: „Die Klimaziele für 2022 und 2023 stehen im Gesetz. Die Bundesregierung kann sie nicht einfach ausfallen lassen.“

Sofortprogramme bei Überschreitung

Der im Klimaschutzgesetz vorgesehene Mechanismus sieht vor, dass bei Überschreitung der Jahresemissionsmengen in verschiedenen Bereichen die zuständigen Ministerien Sofortprogramme vorlegen müssen, mit deren Hilfe die Sektorziele im Folgejahr wieder erreicht werden können. Da falle nichts unter den Tisch, betont Jakob Peter, Generalsekretär des Expertenrats für Klimafragen, gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Ein Überschreiten der Ziele in einem Sektor führen zu einer Zielverschärfung in den darauf folgenden Jahren bis 2030, und zwar genau um die gleichmäßig auf die Jahre aufgeteilte Differenzmenge.“

Der Druck ist schon jetzt enorm. Die Klimaziele erfordern bis 2030 fast eine Verdreifachung der bisherigen Geschwindigkeit der Emissionsminderung, sagt Habeck. „Wir wollen jetzt mit dem Start der Klimaschutzoffensive alle notwendigen Gesetze, Verordnungen und Maßnahmen auf den Weg bringen, so dass die Verfahren schnellstmöglich abgeschlossen sind.“ Klimaschützer und Umweltverbände bleiben jedoch auch der neuen Regierung gegenüber skeptisch. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat bereits 2020 und 2021 gegen die Regierung Sektorklagen eingereicht, mit denen der Verein das Klimaschutzgesetz sowie die Maßnahmenpläne vom Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg überprüfen lässt. Umwelthilfe setzt auf Tempolimit

„Wir sind zuversichtlich, dass die Richter die Bundesregierung in diesen Verfahren zu weiteren konkreten und kurzfristig wirksamen Klimaschutzmaßnahmen wie dem Tempolimit verpflichten werden“, sagte Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch dem RND. „Wir rechnen aktuell mit einer mündlichen Verhandlung noch im Sommer dieses Jahres. Darüber hinaus prüfen wir, welche weiteren juristischen Schritte möglich sind, um sicherzustellen, dass Deutschland endlich ausreichenden Klimaschutzmaßnahmen ergreift, die die Einhaltung unserer Verpflichtungen aus dem Abkommen von Paris rechtlich bindend sicherstellt.“

Auch Luisa Neubauer von der Klimaschutzbewegung Fridays For Future will nichts ausschließen. „Weitere Klagen sind immer eine Option“, sagte die Klimaschutzaktivistin dem RND. „Im besten Falle sorgt die Regierung dafür, dass das nicht notwendig wird.“

Linkspolitiker Ernst unterstützt Habeck

Rückendeckung gibt es von den Linken für den Minister. „Wenn die Klimaziele in diesem und nächsten Jahr verfehlt werden, liegt das vor allem an der fahrlässigen Nachlässigkeit der alten Bundesregierung beim Klimaschutz und dem Umbau der Energiewirtschaft“, so der Vorsitzende des Klimaschutzausschusses im Bundestag, Klaus Ernst. „Hierfür kann Herr Habeck nichts. Er muss sich an den Ergebnissen seiner Arbeit in den kommenden Jahren messen lassen.“ Individuell einklagbare Rechte auf Basis des Klimaschutzgesetzes können nach Auffassung von Experten im Umweltbundesamt (UBA) auf dem Verwaltungsgerichtsweg nicht geltend gemacht werden. Gleichwohl sei ein Gang zum Bundesverfassungsgericht wegen der Verletzung von Schutzpflichten oder aus Gründen einer einseitigen zwischenzeitlichen Verteilung von Lasten durch notwendige Grundrechtseinschränkungen aus Klimaschutzgründen möglich.

Bei Überschreitungen der Jahresemissionsmengen sei dies jedoch nicht erfolgversprechend, da die Ziele des Klimaschutzgesetzes für die Jahre bis 2030 von den Verfassungsrichtern in ihrem Beschluss 2021 nicht beanstandet worden waren, sagte ein UBA-Sprecher.

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