Nach fast zehn Jahren endet die Amtszeit von Henriette Reker. Die Fraktionsführer im Rat hoben ihr Engagement für Integration und Demokratie hervor.
Rückblick auf Amtszeit„Anspruchsvoll, bisweilen anstrengend“ – OB Reker leitet ihre letzte Ratssitzung

Henriette Reker führte am Donnerstag, 4. September, durch ihre letzte Ratssitzung als Kölner Oberbürgermeisterin.
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Henriette Reker hat sich Donnerstagnachmittag vom Stadtrat als Oberbürgermeisterin der Stadt Köln verabschiedet. Die 68-Jährige sagte in der letzten Sitzung dieser Ratsperiode: „Vorsitzende des Rates der Stadt Köln zu sein, ist anspruchsvoll, bisweilen anstrengend, aber ich habe es wirklich gerne gemacht – denn hier geht es in jeder Sitzung darum, Köln zu gestalten.“
Am 18. Oktober 2015 hatten die Kölnerinnen und Kölner sie zu ihrer Oberbürgermeisterin gewählt, die erste Frau in diesem Amt. Sie ist parteilos, wurde aber damals von den Grünen, der CDU und der FDP unterstützt. 2015 wurde sie wiedergewählt, dieses Mal mit Unterstützung von Grünen und CDU. Zur kommenden Wahl am 14. September tritt Reker nicht erneut an.
Reker erinnert an besondere Momente
Reker blickte zur Eröffnung der letzten Sitzung zurück auf die Wahlperiode, die „in vielerlei Hinsicht außergewöhnlich“ gewesen sei. Sie erinnerte an die Umstände der Corona-Pandemie, als sich der Rat im Gürzenich auf Abstand und mit Masken traf. Sie zählte weiter auf: den Besuch der ukrainischen Generalkonsulin Irina Shum 22 Tage nach dem Angriff Russlands auf ihr Land. Als Zeichen der Solidarität vertiefte Reker die Verbundenheit in Form einer Städtepartnerschaft zwischen Köln und Dnipro. Die scheidende OB erinnerte auch an den Moment, als sie die Ratssitzung für eine Schweigeminute im September 2022 unterbrach, weil die britische Queen Elisabeth II. gestorben war. Und an eine Videobotschaft von Ron Huldai, dem Bürgermeister von Tel Aviv-Yafo, nach dem Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober 2023 gegen Israel.
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Reker sagte weiter: „Und natürlich spiegelte der Rat der Stadt Köln auch die inneren Verhältnisse Kölns wider: Ich denke an die Aktion eines Ratsmitglieds, das sich aus Verzweiflung über die Klimakrise am Rednerpult festklebte.“ Sie spielte auf das ehemalige Ratsmitglied Nicolin Gabrysch (Klimafreunde) an – einige Ratsmitglieder schmunzelten am Donnerstag, den Aktivismus während der Sitzung hatten viele nicht gutgeheißen. Reker war damals unaufgeregt geblieben und hatte die Sitzung einfach an einem zweiten Rednerpult fortgesetzt.
Oberbürgermeisterin nimmt Ratsmitglieder aufs Korn
Zum Abschied nahm Henriette Reker die Ratsmitglieder auch humorvoll aufs Korn: „Ich denke auch daran, wie oft einige von Ihnen durch den verlässlichen Griff zur Lampe statt zum Mikrofon für stimmungsvolle Beiträge sorgten.“ Am Rednerpult im Ratssaal hängt eine kleine längliche Lampe, die genauso aussieht wie die kleinen, biegsamen Mikrofone an Konferenztischen. Sie wird in intensiven Reden gerne näher an die Lippen gezogen, gleichwohl natürlich ohne Effekt.
Rund 3700 eng bedruckte Seiten Protokoll habe der Rat unter Reker produziert, summierte sie, hochgerechnet sind das etwa 1,8 Millionen Wörter. Die OB sagte: „Zur Einordnung: Weniger als 800.000 Wörter umfasst die Lutherbibel.“
Die Rechtsanwältin ist in Köln geboren, in die Kölner Verwaltung kam sie 2010 als Dezernentin für Soziales, Integration und Umwelt. Ihre erste Ratssitzung hatte Reker am 15. Dezember 2015 mit folgenden Worte eingeleitet: „Ich bin angekommen – nun auch vor dem Rat unserer Stadt. Der Weg in den Ratssaal wäre unter normalen Umständen mein erster Weg als neu gewählte Oberbürgermeisterin gewesen. Aber das wurde mir verwehrt.“
Am Tag vor der Wahl 2015 wurde Reker bei einem Messerattentat lebensgefährlich verletzt
Am 17. Oktober 2015 war es einen Tag vor der Wahl auf einem Marktplatz in Braunsfeld zu einem Messerattentat auf Reker gekommen, bei dem sie lebensgefährlich verletzt wurde. Der Angriff war ein Bruch in der Geschichte der Bundesrepublik: Zum ersten Mal seit dem Ende des Nationalsozialismus verübte ein Rechtsradikaler einen Mordanschlag auf eine Kommunalpolitikerin oder einen Kommunalpolitiker.
Reker konnte also an der Ratssitzung, die eigentlich ihre erste hätte sein sollen, nicht teilnehmen und legte ihren Amtseid erst im Dezember offiziell ab. Das war vor neun Jahren und acht Monaten. Seitdem führte sie den Kölner Stadtrat durch 87 Ratssitzung, inklusive dieser: nur eine verpasste sie in der Zeit. Am 16. Mai 2024 vertrat der erste Bürgermeister Andreas Wolter (Grüne) die OB, als sie sich in Rom wegen einer Audienz bei Papst Franziskus aufhielt.
Die Fraktionschefs im Rat dankten Henriette Reker für ihre Arbeit und erwiesen ihr Respekt. Christiane Martin (Grüne) sagte: „Beinahe hätte dich das Amt das Leben gekostet.“ Und weiter: „Es hat dich nicht eingeschüchtert. Seitdem warst du immer da, hast das Wohl der Stadt über dein persönliches Leben gestellt.“ Martin hob Rekers Gewissenhaftigkeit und ihre Fairness hervor. Sie sagte: „Du hast aus Merkels ‚wir schaffen das‘ ein ‚wir machen das‘ gemacht und in Köln für Menschen eine Willkommenskultur geschaffen.“ Volker Görzel (FDP) erinnerte daran, dass sie 2018 in der Stadtwerke-Affäre konsequent gehandelt habe: „Den Stadtwerken ‚Stopp‘ zu sagen und einen Skandal aufzudecken – das ist mutig.“ Der damalige SPD-Fraktionschef Martin Börschel sollte den neuen Job als hauptamtlicher Geschäftsführer der Stadtwerke übernehmen – allerdings ohne Ausschreibung. Die Fraktionsspitzen von SPD, Grünen und CDU hatten sich darauf geeinigt.
Henriette Reker hate Vorbildrolle für Frauen
Christian Joisten (SPD) sagte: „Sie haben als Frau in dem Amt Geschichte geschrieben.“ Auf ihre Vorbildrolle für Frauen ging auch Jennifer Glashagen (Volt) ein: „Sie wissen gar nicht, wie viel Bedeutung Kölsche Mädche Ihnen zukommen lassen.“ Reker habe im Rat eine willkommene Atmosphäre geschaffen, auch für Frauen mit Kindern. Glashagen hatte einige Monate lang ihr Baby in politische Sitzungen genommen, Reker nahm das Kinder im November sogar auf ihren Schoß, als Glashagen im Stadtrat ihre Rede hielt. Heiner Kockerbeck (Linke) dankte Reker für ihren Einsatz für Menschenrechte weltweit und die „Signale, die Sie bundesweit ausgesendet haben: Kölns ist für Flüchtlinge offen.“
Bernd Petelkau (CDU) sagte an die 68-Jährige gerichtet: „Sie haben als die erste Bürgerin der Stadt die männerdominierte Welt im Karneval gut durcheinandergebracht.“ Er spielte darauf an, dass sie als Oberbürgermeisterin automatisch Ehrenmitglied der Roten Funken wurde, die allerdings gar keine Uniformen für Frauen hatten, sodass ihr die erste überhaupt geschneidert wurde. Petelkau lobte Reker zudem für „ihre klare Haltung für Demokratie und gegen Rechtsextremismus.“