Martin Börschel gehtDas frühe Ende einer steilen Karriere

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Martin Börschel (r.) und Jochen Ott im März 2002 bei der Aufklärung der SPD-Parteispendenaffäre.

Köln – Die Aufräumarbeiten in der Kölner SPD treffen den jungen Schatzmeister der Partei im März 2002 zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt. Martin Börschel, 29 Jahre jung, hat gerade damit begonnen, sich eine Existenz als Anwalt für Arbeits- und Wirtschaftsrecht aufzubauen, als die Parteispenden- und Müllaffäre der SPD wie ein Tsunami über ihn und Parteichef Jochen Ott, damals 27, hereinbricht.

„Wir werden überrollt von Ereignissen, die zum Teil kriminellen Charakter haben“, stöhnt Börschel. Die Folgen der Spendenaffäre „spielen sich mittlerweile in einer Liga ab, in der wir als Ehrenamtliche nicht mehr mithalten können. Wir sind doch keine Hobby-Detektive.“

Über Nacht im Brennpunkt

Über Nacht rückt das Duo Börschel/Ott in den Brennpunkt des Skandals um Großspenden von Trienekens im Zusammenhang mit dem Bau der Müllverbrennungsanlage. Spenden, die gestückelt und durch das Ausstellen fingierter Quittungen an zahlreiche Parteimitglieder durch den Geschäftsführer und späteren Fraktionschef Norbert Rüther und Schatzmeister Manfred Biciste in Höhe von mindestens 480.000 DM in die Parteikasse geschleust werden.

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Das ist der endgültige Tiefschlag für die SPD, die nach dem strafbaren Aktiendeal und der verlorenen Oberbürgermeisterwahl von Klaus Heugel drei Jahre zuvor ohnehin schon am Boden liegt. Im Frühjahr 2002 sitzen Martin Börschel und Jochen Ott leicht verunsichert Reportern des „Kölner Stadt-Anzeiger“ in einem Lokal an der Maybachstraße gegenüber.

Hoher Erwartungsdruck

Der Erwartungsdruck ist hoch, die politische Erfahrung gering. Er sei zwar mit „Leib und Seele Kommunalpolitiker“, aber mit zwei ehrenamtlichen Tätigkeiten als SPD-Schatzmeister und Stadtrat lasse sich nun mal keine Existenz aufbauen, sagt Börschel. Überdies habe er nicht geplant, sein ganzes Berufsleben mit einem politischen Mandat zu verbringen.

„Ich habe das immer gesagt und im Mai 2022 werde ich diesen Schritt vollziehen“, sagt Börschel. Am Donnerstag hat er angekündigt, nach 17 Jahren als Abgeordneter in Düsseldorf nicht mehr für den Landtag zu kandidieren.

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37 Landeshaushalte wird er dann politisch begleitet haben und eine weitere wichtige Aufgabe gilt es noch zu erledigen. Börschel ist Vorsitzender des Untersuchungsausschusses, der sich dem Thema „Kindesmissbrauch“ widmet. Eine meiner Aufgaben, die mich persönlich besonders belastet haben“, sagt er. „Ich möchte bis März nächsten Jahres einen Bericht vorlegen, der mithilft, die Hilfen und den Schutz für Kinder strukturell zu verbessern.“

Die Jungen Wilden räumen auf

Im März 2002 müssen die Jungen Wilden völlig andere Probleme lösen. Ein Drittel der SPD-Ratsfraktion wird im Laufe der kommenden Monate wegen der Spendenaffäre gehen oder bei der Kommunalwahl 2004 nicht wieder antreten dürfen.

Auch das habe ihn sehr belastet, wird Börschel zehn Jahre später sagen. Die Diskussion um die SPD-Spendenpraxis habe zeitweise größere mediale Beachtung als der Müllskandal und die Durchleuchtung des Korruptionsnetzwerks von Trienekens gefunden. „Da stimmte nicht immer die Verhältnismäßigkeit. Aber das musste so sein. Die Regeln sind, wie sie sind.“

Fünf Jahre, in denen es für Börschel steil bergauf geht

Die Aufräumarbeiten verfehlen ihre Wirkung nicht. Börschel übernimmt den Fraktionsvorsitz und führt mit seinem Freund und Weggefährten Jochen Ott die Partei schneller als gedacht zurück an die Macht. 2004 zuerst an der Seite der CDU, später in einem Bündnis mit den Grünen.

Fünf Jahre später zieht mit Jürgen Roters wieder ein SPD-Oberbürgermeister ins Historische Rathaus ein – zehn Jahre nach dem Heugel-Skandal findet die SPD zu alter Stärke zurück.

Es folgen fünf Jahre, in denen Börschels Karriere nur den Weg nach oben kennt. Seit 2005 sitzt er bereits im Landtag, macht sich als Finanzfachmann und Netzwerker einen Namen, bis er sich im Dezember 2014 mit Ministerpräsidentin Hannelore Kraft wegen der umstrittenen Anhebung der Grunderwerbssteuer überwirft und den Job als finanzpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion hinschmeißt. Nach diesem Affront ist klar: In einer SPD unter Hannelore Kraft hat wird er keine Karriere mehr machen.

Stolperstein Stadtwerke-Affäre

Dass ihn vier Jahre später in der Stadtwerke-Affäre der politische Instinkt verlassen habe, gibt Börschel zu. Er habe geglaubt, dass in alle „relevanten Akteure“ über seine Bewerbung zum Hauptgeschäftsführer informiert gewesen seien und ihn unterstützen, „selbstverständlich auch die Oberbürgermeisterin. Ich habe da offensichtlich eine andere Wahrnehmung als Frau Reker“, so Börschel ein Jahr nach der Affäre.

Was nach der Politik kommt, lässt Börschel offen. „Leider kann ich Euch nicht zusagen, das Mandat im Wahlkreis für eine volle Wahlperiode wahrzunehmen“, schreibt er an die Genossen im Stadtbezirk Mülheim. „So nun ist der Zeitpunkt für eine Veränderung gekommen.“

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