Börschel-RückzugPlan der SPD-Strippenzieher in Gefahr – Vorteil für Kutschaty

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SPD mit Rissen

Auf den neuen Vorsitzenden wartet viel Arbeit: Die SPD ist zurzeit eine Partei mit Rissen.

Düsseldorf – Die kurze Rede von Martin Börschel hatte es in sich. In der Sitzung der SPD-Fraktion des Düsseldorfer Landtags las der Politiker aus Köln am Dienstag der Parteiführung die Leviten. Im Zentrum der Kritik stand das intransparente Verfahren, mit dem die Parteispitze das künftige Führungsquartett der NRW-SPD festlegen will. Solche „Hinterzimmer“-Deals würden die Partei nicht weiterbringen, warnte Börschel. Er stehe daher weder als Fraktionschef noch als Stellvertreter zur Verfügung.

Selten ist in den vergangenen Jahren so massive Kritik aus den eigenen Reihen an der Führung der NRW-SPD geübt worden wie in diesen Tagen. In der Fraktion geht es bei dem Konflikt um eine Richtungsentscheidung. Tragen die Abgeordneten die personelle Wunschlösung der „alten Männer“ mit, oder setzen sich die Kritiker durch?  

Norbert Römer ist seit 2010  Chef der SPD-Fraktion. Der 71-Jährige hatte sich mit dem noch amtierenden Parteivorsitzenden Michael Groschek (61) auf ein Personaltableau verständigt, in dem der Regionalproporz eine zentrale Rolle spielt. Die wichtige Position des künftigen Fraktionsvorsitzenden soll demnach dem Römer-Vertrauten Marc Herter aus der Region  „Westliches Westfalen“ (WW) zukommen. Dieser Plan hätte jedoch durch eine mögliche Kandidatur von Börschel torpediert werden können. Der Kölner ist in der Fraktion beliebt und hätte gute Chancen auf den Chefposten gehabt. Dieser klare Machtverlust von „WW“ sollte offenbar mit allen Mitteln verhindert werden.

Perfider Plan

Dazu wurde, so berichten Landtagsabgeordnete der SPD, offenbar ein perfider Plan geschmiedet. Der beruhte darauf, den Regionalproporz als Hebel einzusetzen. „Um Börschel zu verhindern, wurde von der  Parteispitze der weithin unbekannte Bundestagsabgeordnete Sebastian  Hartmann als künftiger Parteichef aus dem Hut gezaubert“, heißt es. Denn: Hartmann kommt wie Börschel aus der Region Mittelrhein. Dass der Parteivorsitzende und der Fraktionschef aus einer Region kommen, ist in der  SPD-Logik des Regionalproporzes unmöglich. Das Votum für Hartmann sollte, so der Plan der Strippenzieher,  letztlich den Weg für Herter bahnen.

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Die Verknüpfung von Regionalproporz mit Machtinteressen hat die Personalpolitik der NRW-SPD traditionell entscheidend geprägt. „Nach dem Krach um die große Koalition und den versprochenen Neuanfang reiben sich jetzt viele in der Partei die Augen, dass es genauso weitergehen soll“, sagte ein Mitglied des Landesvorstands. In der Fraktion regt sich Widerstand gegen die Wahl von Herter zum neuen Chef. Die Folge: der frühere NRW-Justizminister Thomas Kutschaty warf gestern seinen Hut in den Ring.

Martin Börschel

Martin Börschel (SPD)

Die Kandidaten

Marc Herter, 43, gilt nominell als Favorit. Alleine 30 Parlamentarier gehören seiner Heimatregion  „Westliches Westfalen“ an. Norbert Römer, der Chef der „WW-ler“, hat die Abgeordneten aus der Region auf Herter eingeschworen. Ob der Block bei der geheimen Abstimmung geschlossen steht, ist nicht sicher. Herter hat sich als Fraktionsgeschäftsführer nicht nur Freunde gemacht.      

Thomas Kutschaty, 49,  gilt als Gegner der Hinterzimmer-Entscheidungen und will alte Strukturen aufbrechen. Er verzichtete darauf, einen eigenen Kandidaten für die Fraktionsgeschäftsführung ins Spiel zu bringen. Herter wollte den Block der Niederrheiner (20 Abgeordnete) auf seine  Seite ziehen, indem er der Duisburgerin Sarah Philipp die Fraktionsgeschäftsführung versprach. Doch nun sieht es so aus, als ob auch Kutschaty die Hoffnungsträgerin als „Nummer zwei“ akzeptieren würde. 

Thomas Kutschaty

Thomas Kutschaty (SPD)

Ein kluger Schachzug. Wer Philipp fördern will, kann nun auch ihn wählen. Die indirekte Unterstützung durch Börschel beflügelt Kutschatys Kandidatur womöglich zusätzlich. Denn die  Anhänger des Kölners dürften bei der Wahl am nächsten Dienstag jetzt  den Ex-Minister unterstützen.

Noch-Fraktionschef Norbert Römer wirkte am Dienstag angespannt, als er vor die Journalisten trat. Kritische Fragen zu seiner Rolle bei der Personalfindung ließ er abperlen. Als Römer forsch erklärte, er selbst habe bei der  Kandidatenfindung „nicht mitgewirkt“, mussten auch  Abgeordnete, die sich unter die Journalisten gemischt hatten, schmunzeln.

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