Die Grünen sind Wahlsieger, aber die Suche nach Mehrheitsbündnissen ist schwierig: Die große Unbekannte ist Die Linke. Die CDU setzt vorerst auf Petelkau.
Analyse nach der WahlWer hat künftig im Kölner Stadtrat das Sagen?

Die Kölnerinnen und Kölner haben einen neuen Stadtrat gewählt (Symbolbild).
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An den Grünen als weiterhin stärkster Fraktion führt auch nach der Kommunalwahl kein Weg vorbei, wenn es darum geht, ein neues Bündnis im Stadtrat zu bilden. Sehr gute Karten hat auch die SPD, deren Position nochmal deutlich gestärkt wäre, wenn ihr Oberbürgermeisterkandidat Torsten Burmester am 28. September die Stichwahl gewinnen würde.
In möglichen Verhandlungen mit den Grünen wäre das ein gewichtiges Argument, wenn es darum geht, Aufgaben und Posten untereinander aufzuteilen. Vor der Stichwahl wird es keine Entscheidung geben. Klar ist aber: Ohne einen dritten Partner im Bunde wird es nicht gehen. Wer das sein wird, ist derzeit noch völlig unklar. Die wichtigsten Fragen und Antworten nach dem Wahlausgang.

Bündnisrechner
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Welche Bündnisse im Rat wären möglich?
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Rein rechnerisch wäre es möglich, das bisherige Bündnis aus Grünen, CDU und Volt fortzusetzen, wenn die Grünen-OB-Kandidatin Berivan Aymaz die Stichwahl gewinnen sollte. Dann käme diese Konstellation auf eine knappe Mehrheit mit 46 von 91 Stimmen (90 Ratsmitglieder plus Oberbürgermeisterin oder Oberbürgermeister). Dem Vernehmen nach ist das Verhältnis zwischen Grünen und CDU nach einem Jahrzehnt der Zusammenarbeit jedoch deutlich abgekühlt. Persönliche Anfeindungen im Wahlkampf verschärften die Spannungen zusätzlich. Eine Fortsetzung der Arbeit erscheint daher als unwahrscheinlich.
Wahrscheinlicher wäre es, in einem neuen Bündnis die CDU gegen die SPD auszutauschen. Auch dann wäre eine Zusammenarbeit mit Volt möglich, um zusammen mit der Stimme der Oberbürgermeisterin oder des Oberbürgermeisters eine Mehrheit zu bilden, zumal das unabhängig vom Ausgang der Stichwahl möglich wäre. Diese Konstellation ist realistisch, die Mehrheit wäre mit einer Stimme allerdings hauchdünn.

Zwei Wahlplakate der Bündnis 90/Die Grünen und der SPD. Die beiden Kandidaten treten am 28. September zur Stichwahl an.
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Ein wesentlich stabileres Bündnis würde entstehen, wenn sich Grüne und SPD mit der Linke zusammenschließen würden. Zuletzt hatten die drei Fraktionen bereits bei Einzelentscheidungen zusammengearbeitet. Mit 51 von 91 Stimmen (inklusive der OB-Stimme) wäre das eine komfortable Mehrheit. Grüne und SPD wissen aber noch nicht, wie die nach vielen Personalwechseln neu zusammengestellte Linke-Fraktion einzuschätzen ist und ob eine Kooperation funktionieren kann.
Sollten andere Optionen nicht zustande kommen, gäbe es die Möglichkeit, dass sich die drei größten Fraktionen Grüne, CDU und SPD zusammenschließen. Sie hätten inklusive der OB-Stimme 59 Stimmen und somit eine großzügige Mehrheit. Dass es dazu kommt, gilt allerdings als unwahrscheinlich. Am ehesten wäre eine solche Bündelung denkbar, um ein sicheres Bündnis auf die Beine zu stellen, um den städtischen Haushalt auszuarbeiten und zu beschließen. Andere Sachentscheidungen könnte der Stadtrat dann mit wechselnden Mehrheiten entscheiden.
Welche Knackpunkte gibt es zwischen Grünen und SPD?
Bei zwei großen politischen Themen stehen sich Grüne und SPD diametral gegenüber: dem Ausbau des FC-Trainingszentrums im Grüngürtel und dem Bau eines neuen U-Bahn-Tunnels in der Innenstadt. Während die Grünen beide Großprojekte ablehnen, will die SPD beide umsetzen. Um diese Klippen zu umschiffen, wäre es denkbar, diese beiden Themen in einem möglichen Bündnisvertrag auszuklammern. Für Diskussionen sorgen wird auch der Umgang mit Flächen in der Stadt. Während die Grünen möglichst viele entsiegeln wollen, erwartet die SPD, unbebaute Flächen mit Wohnungen bebauen zu können.
Wer ist die Links-Fraktion im neuen Rat?
Die Linkspartei holte ihr historisch bestes Ergebnis: 10,8 Prozent. Damit verdoppelte sie ihr Ergebnis von 2020 beinahe, damals lag sie bei 6,5 Prozent. Sonntag holte Die Linke erstmals zwei Direktmandate in Köln. Im neuen Rat stellt sie insgesamt zehn Mandatsträger – aber als nahezu komplett neues Team. Einziges verbliebenes Mitglied der vorigen sechsköpfigen Fraktion ist der ehemalige Co-Fraktionschef Heiner Kockerbeck. Um den Posten will er sich wieder bewerben. Im Rat bekannt, obwohl kein Mitglied, ist auch Günter Bell als Fraktionsgeschäftsführer.

Zu der Partei Die Linke gehören Nadine Mai (Vorsitzende), Heiner Kockerbeck (OB-Kandidat) und Isabel Gerken (Ratskandidatin).
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Das lässt die anderen Parteien durchaus skeptisch auf die Linke als möglichen Bündnispartner blicken, zu unbekannt seien die einzelnen Gesichter und ihre Positionen. Kockerbeck sieht das anders, er sagt, wirklich neu im Kölner Rat sei einzig die 26-jährige Studentin Momo Eich. Sie und die anderen neuen Mandatsträger hätten aber alle inhaltlich in der Partei schon mitgearbeitet: „Wer bei uns Ratsmitglied werden will, bereitet auch das Programm mit vor und damit haben wir vor eineinhalb Jahren begonnen.“
Die Kalker Direktmandatsgewinnerin Isabel Gerken habe als Fraktionsmitarbeiterin auch schon die Verkehrspolitik der Linken mitgestaltet. Kockerbeck wies darauf hin, dass die anderen neuen Ratsmitglieder die Linke ebenfalls in Ausschüssen vertraten oder bereits Fraktionsmitarbeitende waren. Und Attila Gümüs, der mit sechs Stimmen Vorsprung in Mülheim das zweite Direktmandat holte, sagte am Rande der Wahlparty, er sehe sich als Brückenbauer, bis 2019 habe er nur überparteilich Politik gemacht: Sieben Jahre lang als Vorsitzender des Jugendamtselternbeirats der Stadt Köln. 2019 sei er erst der Linken beigetreten.
Wollen die Linken in ein Bündnis eintreten?
Ganz klar „Ja“, sagte Heiner Kockerbeck am Montag. „Wir stehen grundsätzlich zur Verfügung.“ Ein Bündnis würde die Linksfraktion eingehen mit SPD und Grünen. „Es käme darauf an, dass jeder den Partnern auch etwas anbietet.“
Was ist eigentlich mit der CDU?
Am Ende ist es wie so häufig mit der Kölner CDU in den Vorjahren: Die Partei fährt eine Wahlniederlage ein, aber Bernd Petelkau bleibt wie seit 2014 Fraktionschef. Allerdings hat die neue 18-köpfige Fraktion (vor der Wahl waren es 20) ihn nur für „bis zu“ zwölf Monate gewählt. Üblich sind eigentlich zweieinhalb Jahre, bevor in der Mitte der fünfjährigen Ratsperiode die Fraktion erneut für zweieinhalb Jahre abstimmt.

Niklas Kienitz, Steffi und Markus Greitemann, Serap Güler und Bernd Petelkau bei der Wahlparty der CDU im Consilium.
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Laut Petelkau handelt es sich um einen Vorschlag von Parteichefin Serap Güler und ihm. Petelkau begründete die Lösung damit, dass sieben der 18 Mitglieder neu sind und so integriert werden könnten. Güler teilte mit, dass die CDU mit dieser Lösung handlungsfähig sein will: „Die dauerhafte Aufstellung der Fraktionsführung für die neue Ratsperiode wird im nächsten Jahr erfolgen. Daher hat die Partei der Fraktion vorgeschlagen, für zunächst maximal zwölf Monate zu wählen. Und diesem Vorschlag ist die Fraktion gefolgt.“ Nach Informationen dieser Zeitung soll es für diese Verkürzung in der Fraktion 15 Ja-Stimmen sowie eine Enthaltung und zwei Nein-Stimmen gegeben haben.
Auch Fraktionsgeschäftsführer Niklas Kienitz und die Vize-Fraktionschefs Helge Schlieben und Ira Sommer sind nur für maximal zwölf Monate gewählt. Alle drei hatten diese Aufgaben auch vor der Wahl. Dem Vernehmen nach stimmten 16 der 18 Mitglieder für das Personaltableau, zwei enthielten sich. Der Vorsitzende des Stadtbezirksverbandes Rodenkirchen, Oliver Kehrl, hatte am späten Sonntagabend gesagt: „Der Montag ist nicht der Tag, um über Personalien und Funktionen zu entscheiden.“ Einen Gegenkandidaten zu Petelkau gab es aber nicht. Die einen in der Partei sprechen von einer letzten „Ehrenrunde“ für Petelkau und Kienitz, die als Baumeister der Zusammenarbeit mit den Grünen dienen und nicht gut gelitten sind. Die anderen verweisen darauf, dass Petelkau sich trotz des Wahlergebnisses erneut halten konnte.
Wie geht es nach zwölf Monaten weiter?
Das wird davon abhängen, ob die CDU doch noch in ein Bündnis kommt oder nicht und ob es nicht doch einen klassischen Oppositionsführer braucht. Formal kann die Partei der Fraktion aber nicht reinreden. Das betonte auch Petelkau. Er sagte, auf die Frage, ob er in zwölf Monaten weg sei: „Das entscheidet die Fraktion zu einem späteren Zeitpunkt.“
Gibt es sonst noch etwas zur CDU?
Ja. Als neue ehrenamtliche Bürgermeisterin hat die Fraktion dem Vernehmen nach mit zwölf zu sechs Stimmen die bisherige Vize-Fraktionschefin Teresa De Bellis-Olinger nominiert, sie würde den bisherigen Bürgermeister Ralph Elster ablösen. Ob die CDU eine Wahlempfehlung für die Stichwahl abgibt, war ein mögliches Thema für die Sitzung des erweiterten Parteivorstandes am Montagabend.
Und was ist mit der AfD?
Sie verdoppelte ihr Ergebnis gegenüber der vorigen Wahl 2020. Von damals vier auf nun acht Sitze, 9,1 Prozent holte sie. Sie bleibt in Köln deutlich unter dem Landes- und Bundestrend, aber würden die Ausschüsse des Rats ihre derzeitige Größe behalten, könnte die AfD einen Vorsitz stellen. Der Kölner Soziologe Ansgar Hudde sagt: „Die AfD ist kein Ostphänomen mehr und keins, das vor den Toren der Großstädte Halt macht.“ Insgesamt legte die AfD in Köln zu, aber in den Stadtteilen auf unterschiedlichem Niveau. Der Soziologe ordnet ein: „Die Stadt entwickelt sich auseinander, dadurch werden die politischen Lebensrealitäten in der Stadt unterschiedlicher.“