Deutschland vor GerichtWarum der ARD-Film „Ökozid“ so aufwühlend ist

Lesezeit 3 Minuten
2_Oekozid

Victor Graf (Ulrich Tukur) ist der Verteidiger in einem Verfahren über die Klimapolitik der Bundesrepublik Deutschland.

  • In „Ökozid“ verklagen 31 Staaten des globalen Südens Deutschland wegen seiner gescheiterten Klimapolitik.
  • Der Spielfilm der im Rahmen der ARD-Themenwoche #WieLeben ausgestrahlt wird, macht auf eindrückliche Weise deutlich, dass die Folgen des Klimawandels verheerend sind.

Berlin – Der Erfolg von Katastrophenfilmen beruht ja vor allem darauf, sich angesichts apokalyptischer Bilder mit dem guten Gefühl zurücklehnen zu können, dass es so dramatisch wie in der Fiktion im wahren Leben zum Glück dann doch nicht ist. Das ist bei „Ökozid“ anders.

Zwar spielt der Film, den das Erste im Rahmen der Themenwoche #WieLeben ausstrahlt, in der nahen Zukunft, doch die Bilder über die Auswirkungen des Klimawandels sind uns schmerzhaft vertraut. Stürme, Überschwemmungen und Großbrände verheeren in eingespielten Nachrichtenbeiträgen ganze Landstriche. Das ist schon heute keine Dystopie mehr.

31 Länder verklagen Deutschland

Der Film von Andres Veiel geht aber einen Schritt weiter. 31 Länder des besonders betroffenen globalen Südens klagen in „Ökozid“ im Jahr 2034 vor dem Internationalen Gerichtshof gegen die Bundesrepublik Deutschland. Nach drei Sturmfluten tagt das Gericht nicht in Den Haag, sondern in der deutschen Hauptstadt Berlin. Die klagenden Staaten verlangen von Deutschland rund 60 Milliarden Euro Schadensersatz im Jahr. Sie berufen sich auf das in der UN-Konvention verankerte Recht auf Leben – und leiten daraus ein Recht der Natur auf Unversehrtheit ab. Deutschland habe mit seiner gescheiterten Klimapolitik dagegen verstoßen.

Alles zum Thema Angela Merkel

Das könnte Sie auch interessieren:

Andres Veiel und Jutta Doberstein gründen ihr Drehbuch auf eine Doktorarbeit, die den Einfluss deutscher Lobbyisten auf die Einführung des Emissionshandels untersucht. „Die Arbeit beschreibt anhand einer akribischen Faktenrecherche, wie die Industrie bei der Einführung des Emissionshandels in enger Kooperation mit der Bundesregierung Klimaschutzmaßnahmen abschwächte oder ganz verhinderte“, sagt Doberstein.

Der erste Prozess von vielen

Die Anwältinnen der Klägerstaaten, gespielt von Friederike Brecht und Nina Kunzendorf, wollen diese Versäumnisse der Regierungen von Gerhard Schröder und Angela Merkel offenlegen. Der Prozess soll nur der erste von vielen sein, in denen die Länder, die wenig zum Klimawandel beitragen, aber am stärksten darunter leiden, ihr Recht einfordern.

Ulrich Tukur spielt den Verteidiger der Bundesregierung als gewieften Strategen, der ein Urteil mithilfe eines Vergleichs verhindern will. Edgar Selge gibt den besonnenen Richter. Und während Gerhard Schröder den Auftritt vor Gericht verweigert, stellt sich Angela Merkel (Martina Eitner-Acheampong) dem Prozess und versucht, um Verständnis zu werben. Sven Schelker steht als finsterer Social-Media-Experte, der durch Fake News die Stimmung gegen den Prozess gezielt anheizt, für eine andere große Gefahr, die unsere digitalisierte Welt schon heute bestimmt.

Auf den Gerichtssaal konzentriert

Der weitgehend auf den Gerichtssaal konzentrierte Film kann sich auf seine starken Darsteller verlassen, verlangt den Zuschauern aber dennoch einiges ab. Bis auf die Anwältinnen, deren Hintergrund zumindest in Ansätzen beleuchtet wird, bleiben alle handelnden Figuren blass, dienen nur als Stellvertreter für bestimmte Bevölkerungsgruppen. Den Abgesandten der klagenden Staaten wird zudem nur eine Nebenrolle zugestanden. Es gibt also wenig, was eine emotionale Bindung erlaubt.

Spannend ist dieser Film trotzdem bis zum überraschenden Schluss, weil die nüchterne Aufarbeitung der deutschen Klimapolitik, das Aufdecken des kurzsichtigen Handelns zum Wohle der Gewinnmaximierung einzelner Konzerne, in den Mittelpunkt gestellt wird. Was uns oft weit weg erscheint, wird in diesem Fall überdeutlich: Der Klimawandel ist die größte Bedrohung für die Menschheit.

Das Erste zeigt „Ökozid“ am Mittwoch, 18. November, 20.15 Uhr. In der Mediathek ist er bereits jetzt zu sehen. 

KStA abonnieren